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Svenja Faust, Rechtsanwältin (Goethe-Universität Frankfurt am Main) Schwerpunkt Arbeitsrecht in der Kanzlei SSBP in Koblenz

1.       Frau Faust, seit 2020 sind Sie Rechtsanwältin in Koblenz. Warum haben Sie sich damals für ein Studium entschieden?

Nach dem Abitur habe ich zunächst ein Auslandsjahr in den USA als Au-Pair in Ohio absolviert, aber schon vorher stand für mich fest, dass ich studieren möchte. Ich hatte allerdings nie geplant, Rechtswissenschaften zu studieren und habe ursprünglich auch nicht im Erststudium damit begonnen. Zuerst war ich im Studienfach Erziehungswissenschaften in Frankfurt eingeschrieben. Im ersten Semester entwickelte ich aufgrund einer Vorlesung, in welcher die Schnittstellen zwischen sozialen Berufen und unserem Rechtssystem aufgezeigt wurden, relativ spontan die Idee, im zweiten Semester zusätzlich mit dem Jura-Studium zu beginnen. Ich habe beide Studiengänge parallel absolviert. Nach dem Studium habe ich mich aber dann dazu entschieden, meinen Schwerpunkt bei Jura zu setzen und mich für das Referendariat beworben. Am Jurastudium hat mich vor allem gereizt, dass man sich Lösungen erarbeitet, indem man strukturiert und unter Verwendung von konkreten Schemata/Prüfungsanleitungen an Probleme herangeht.

Für mein Referendariat bin ich für zwei Jahre nach Münster gegangen, wusste aber, dass ich anschließend wieder Richtung Heimat bzw. Koblenz ziehe.

2.       Statistisch gesehen, sind nur 36.67% der Rechtsanwälte Frauen*. Woran könnte das liegen, ist der Beruf noch eine Männerdomäne?

Ich denke, es ist eher eine ehemalige Männerdomäne, die sich in den letzten Jahren bereits deutlich weiterentwickelt hat und sich auch weiterhin im Wandel befindet. Die in der Frage genannte Prozentzahl zum Beispiel bezieht sich auf Rechtsanwälte jeder Art. Bei SyndikusrechtsanwältInnen, also festangestellten RechtsanwältInnen in nicht-anwaltlichen Unternehmen, liegt der Frauenanteil bei 58,14%, also etwas über der Hälfte. Bei Einzelzulassungen sind es 34,6% Frauen. Rein statistisch gesehen scheint der klassische Anwaltsberuf für Frauen weniger attraktiv zu sein.

Ich denke nicht, dass das an mangelndem Interesse am Beruf selbst liegt oder dass Frauen weniger geeignet sind für den Beruf. Es stecken wahrscheinlich verschiedene andere Gründe dahinter. Ein Grund ist vielleicht der Ruf des Anwaltsberufes, dem vorausgeht, insbesondere für Frauen mit Familienplanung sei dieses Berufsfeld herausfordernder als andere Berufsfelder. Hinzu kommt für Berufsanfängerinnen, denke ich, dass bei Bewerbungsprozessen deutlich wird: In Kanzleien sind Männer oft deutlich in der Mehrzahl und dem Internetauftritt zufolge meist nur wenige Frauen unter den KollegInnen zu finden.

Der letzte Punkt und ein wichtiger Grund: Der Beruf des Anwaltes ist recht fremdbestimmt und daher wenig planbar. Unerwartetes kommt häufig dazwischen, es gibt enge Fristen und Deadlines, die nicht warten können. Dies schränkt natürlich die Flexibilität im Beruf deutlich ein. Eine Teilzeitbeschäftigung ist daher eher schwierig bzw. zumindest anspruchsvoller in der Gestaltung und Organisation als das in anderen Branchen der Fall sein mag.

3.       Ihr Fachgebiet ist das Arbeitsrecht, welche Anfragen erhalten Sie dabei am häufigsten?

Die häufigsten Anfragen beziehen sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, z.B. Kündigungsschutzklagen, welche die ArbeitnehmerInnen gegen ausgesprochene Kündigungen erheben möchten. Häufig ist auch die Beratung zu Aufhebungsverträgen erforderlich. Wir beraten sowohl ArbeitnehmerInnen als auch Arbeitgeber, d.h. wir werden im besten Fall einbezogen, bevor ein Trennungsprozess eingeleitet wird. Ein solcher muss gut vorbereitet sein und unsere Mandanten erkundigen sich natürlich gerne vorab, welcher Weg rechtswirksam möglich ist.

An dieser Stelle kann man hinzufügen, dass wir die Sachverhalte oft nicht nur in arbeitsrechtlicher Hinsicht bearbeiten, sondern die Anfragen der Mandanten oft auch eine Art Kommunikationsberatung erforderlich machen, da die Streitigkeiten oft sehr emotionsgeladen sind. Wenn es im Arbeitsleben für Mandanten oder Mandantinnen nicht rund läuft, kann dies schnell sehr belastend sein. Wir unterstützen dabei, Lösungen zu finden – manchmal besteht die Lösung in der (Um-)Gestaltung des Arbeitsverhältnisses und manchmal auch in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

 

4.       Welche Herausforderungen haben Ihrer Meinung nach besonders Frauen im Arbeitsleben? Gibt es Themen, die meist oder nur von Mandantinnen geschildert werden?

Bei der ersten Frage wird immer wieder mangelnde Flexibilität des Arbeitgebers deutlich oder auch die mangelnde Bereitschaft des Arbeitgebers zu mehr Flexibilität. Auch nicht vorhandenes Verständnis für die Bedürfnisse, speziell für Arbeitnehmerinnen in ihrer besonderen Rolle, z.B. als Mutter, kann die Ursache für Herausforderungen sein.

Zur zweiten Frage: Oft sind es arbeitsrechtliche Fragen zum Thema Schwangerschaft Elternzeit bzw. Rückkehr aus dieser. Männer nehmen zwar auch vermehrt Elternzeit in Anspruch, dies aber eher kurzzeitig. Frauen nehmen regelmäßig einen längeren Zeitraum in Anspruch. Hier beobachte ich in vielen Fällen, dass Mandantinnen, die sich vor der Schwangerschaft eine gewisse Position erarbeitet hatten, nach der Rückkehr aus der Elternzeit auf niedrigere Positionen gesetzt werden oder ihnen Verantwortungsbereiche entzogen werden. Natürlich wird selten kommuniziert, dass Grund dafür die in Anspruch genommene Elternzeit ist oder diese mit der arbeitsrechtlichen Maßnahme im Zusammenhang steht. Hier liegt es dann an uns, zu prüfen, ob die Maßnahmen, die sich oft in rechtlichen Graubereichen bewegen, zulässig sind.

Oft stellen sich Frauen dann auch die Frage, ob sie überhaupt weiterhin im Unternehmen bleiben oder das Arbeitsverhältnis stattdessen lieber beenden wollen. Diese Frage ist vor allem dann schwierig zu beantworten, wenn das Arbeitsverhältnis schon viele Jahre bestanden hat. Mandantinnen möchten sich mit Maßnahmen des Arbeitgebers, die für sie regelmäßig einen Rückschritt im Lebenslauf bedeuten, aber auch nicht einfach zufriedengeben.

Unser Ausgangspunkt liegt dann darin, welches Ergebnis sich die Mandantin wünscht – möchte sie im Unternehmen bleiben oder soll eine Beendigungslösung erarbeitet werden. In der Regel starten wir mit einer Vermittlung und beginnen den Austausch mit dem Arbeitgeber, bei dem der Ausgang auch erstmal offen sein kann.

Auch Arbeitgeber kommen auf uns zu und bitten um Beratung, wie die beste Lösung für ein konkretes Problem im Zusammenhang mit den Themen Schwangerschaft, Elternzeit etc. aussehen kann. Nicht selten besteht auch auf Seiten des Arbeitgebers aufgrund mangelnder Erfahrungen Unsicherheit und Unwissenheit im Umgang mit diesen Themen.

5.       Was brauchen Frauen arbeitsrechtlich, um ihr Arbeitsleben „leichter oder besser“ zu gestalten?

Es gibt bereits viele Gesetze, die unterstützen und schützen sollen, wie zum Beispiel das Mutterschutzgesetz, das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und das Entgelttransparenzgesetz.

Wenn es darum geht, was darüber hinaus noch hilfreich sein könnte: An dieser Stelle greife ich auf, was wir bereits in der zweiten Frage bezüglich des Anwaltsberufes angesprochen haben: Der Schlüssel liegt vor allem in mehr Flexibilität, also zum Beispiel flexiblen Arbeitszeiten oder der Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten. Care Arbeit, die immer noch überwiegend von Frauen übernommen wird, ist nicht immer planbar und verschiedene Aufgaben und Lebensbereiche können zeitlich kollidieren.

Ergänzend dazu kann ein Perspektivwechsel hilfreich sein: Weg von der Frage, welche Herausforderungen habe ich dabei, eine Frau bzw. Mutter zu beschäftigen, und hin zu der Frage, welche Vorteile bringt es mir, Frauen zu beschäftigen?

Dieser Perspektivwechsel ist nicht nur im Hinblick auf den Gewinn unterschiedlicher Kompetenzen und Ressourcen empfehlenswert, er ist im Hinblick auf den Fachkräftemangel und den Aufbau der zukünftigen Führungskräfte auch erforderlich.

Ich behaupte jetzt mal überspitzt, dass es eher Frauen oft besser liegt, emotionale Intelligenz in Konflikten einzubringen und als moderne Führungskraft empathisch zu agieren. Dabei handelt es sich selbstverständlich nicht um Kompetenzen, die nicht auch männliche Führungskräfte haben können, aus der klassischen Führungskultur der letzten Jahrzehnte kennt man es aber auch anders.

Emotionale Intelligenz und damit einhergehende Empathie sowie Kommunikationsgeschick begleiten uns auch in unserer täglichen Arbeit als Rechtsberater, womit sich der Kreis zum Anwaltsberuf wieder schließt. Insbesondere im Arbeitsrecht ist es aufgrund der regelmäßigen emotionalen Komponente immer wieder spannend, sowohl mit der eigenen Mandantschaft als auch im Austausch mit der Gegenseite die Lösung zu finden, mit der am Ende im besten Fall sogar beide Parteien gut leben können.

Das Interview führte Katrin Schildhorn, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der VR Bank RheinAhrEifel eG.

Quellen und Verlinkungen

*Anteil Rechtsanwältinnen in Deutschland 2023 zu Frage 2

https://www.brak.de/presse/zahlen-und-statistiken/statistiken/

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/256419/umfrage/anteil-der-rechtsanwaeltinnen-in-deutschland/

*Anteil Rechtsanwältinnen der reinen SyndikusrechtsanwältInnen in Deutschland 2023 zu Frage 2

https://www.brak.de/presse/presseerklaerungen/der-brak-2023/mitgliederstatistik-2023/

*Anteil Rechtsanwältinnen in Einzelzulassung in Deutschland 2023 zu Frage 2