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Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Diplom-Kauffrau (FU Berlin)

1.      Frau Kolak, seit 2002 sind Sie Führungskraft in der genossenschaftlichen FinanzGruppe und inzwischen Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Wie haben sich in den letzten Jahren die Führungsetagen verändert und was braucht es für einen höheren Anteil an Vorständinnen und Bereichsleiterinnen in der Bankenwelt?

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt: der digitale Wandel mit allen Chancen und Herausforderungen, die demografische Entwicklung, neue gesellschaftliche Erwartungen insbesondere jüngerer Generationen, aber auch die politischen Entwicklungen der letzten Jahre haben die Welt schneller, komplexer und unsicherer gemacht. Dies erfordert von Entscheidern und Führungskräften eine deutlich höhere Anpassungsfähigkeit als in der Vergangenheit. Führungskräfte müssen heute in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren, neue Chancen zu identifizieren und ihre Teams erfolgreich durch Veränderungsprozesse zu führen. Gleichzeitig haben sich auch die Erwartungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Banken an ihre Führungskräfte geändert: Es wird zunehmend Wert auf eine offene Kommunikation, Transparenz, Teamarbeit und eine ausgewogene Work-Life-Balance gelegt. Zudem wird erwartet, dass eine unterstützende und motivierende Arbeitsumgebung bereitgestellt wird.

Mit diesen Erwartungen muss sich jedes Haus, nicht zuletzt mit Blick auf die eigene Attraktivität als Arbeitgeber, aktiv auseinandersetzen. Damit wird auch so mancher traditioneller Führungsansatz, der im Umfeld der letzten Jahrzehnte durchaus erfolgreich war, in Frage gestellt. Nun könnte man vereinfacht annehmen, dass die Erhöhung des Anteils von Vorständinnen und weiblichen Führungskräften ein solches neues Denken besonders befördert. Ganz so einfach ist es leider nicht. Gleichzeitig ist es unbestritten, dass heterogen aufgestellte Führungsteams, in denen verschiedene Perspektiven in die jeweilige Entscheidungsfindung mit einfließen, in der Regel erfolgreicher sind als traditionelle, sehr homogene Strukturen.

2.      Was sind Ihre Hauptaufgaben als Präsidentin des Bundesverbandes?

Der BVR – so viel vorweg – ist der oberste Interessensvertreter der Genossenschaftsbanken und das strategische Kompetenzzentrum der Gruppe. Der Verband ist ferner für das genossenschaftliche Institutssicherungssystems verantwortlich. Jede dieser Funktionen beinhaltet eine Fülle an Aufgaben, die alle ein Ziel verfolgen: den Fortbestand der genossenschaftlichen FinanzGruppe zu bewahren und in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

Seit 2018 bekleide ich das Amt als BVR-Präsidentin. Das Vorstandsteam und ich stehen stellvertretend für den gesamten Verband. Wir vertreten bundesweit und auch international die Interessen der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Wir sind viel unterwegs, bei den Mitgliedsinstituten vor Ort oder im Rahmen der Interessenvertretung in Berlin, Brüssel oder weltweit bei Spitzentreffen der Finanzbranche. Als Präsidentin des BVR habe ich außerdem verschiedene Aufsichtsratsmandate inne, u. a. bei der DZ Bank, der R+V Versicherung, der Union Investment und der Bausparkasse Schwäbisch Hall.

3.      Wie stellt sich der Verband und auch die FinanzGruppe als Arbeitgeberin dar? Gibt es Förderprogramme für mehr weibliche Führungskräfte und Spezialistinnen? Was wird unternommen um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser zu gewährleisten?

Die genossenschaftliche FinanzGruppe ist an dieser Stelle – wie auch bei anderen Fragestellungen – unterschiedlich aufgestellt. Auch wenn wir beim BVR in unserem dreiköpfigen Vorstandsgremium durch mich und meine Kollegin Tanja Müller-Ziegler als Frauen sogar in der Mehrheit sind, so ist dies in dieser Form sicher nicht in der Breite der Gruppe gegeben. Gleichzeitig haben wir auf der Vorstandsebene der Genossenschaftsbanken und Verbundunternehmen eine ganze Reihe von erfolgreichen und sehr gut vernetzten Vorständinnen, mit denen ich zu einem großen Teil auch in unserem regelmäßigen Format „Vorständinnen im Dialog“ in einem sehr guten Austausch bin.

Um den Anteil von weiblichen Führungskräften und von Vorständinnen weiter zu steigern, gibt es verschiedene Initiativen, die auch von Seiten des BVR mit begleitet werden. Was wir dabei insbesondere sehen, ist Folgendes: Neben einer gezielten Förderung und Vorbereitung auf Führungsaufgaben ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen, die sich in der Familienphase befinden, sicherlich das Wichtigste. Dies kann durch ein weites Spektrum an betrieblichen Angeboten, die von Teilzeitmöglichkeiten, Arbeitsflexibilisierung und gezielten Weiterbildungsangebote reichen, erreicht werden. Doch der Begriff der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ ist streng genommen eigentlich zu kurz gesprungen: Es gibt seit Langem eine Vielzahl attraktiver Angebote und Möglichkeiten, die auch in der Breite genutzt werden, die aber bisher keine strukturelle Veränderung der Situation herbeigeführt hat. Daher sollte es vielmehr um die Vereinbarkeit von „Karriere und Familie“ gehen, mit Themen wie passende Betreuungsangebote, aber auch „Führen in Teilzeit“ oder „Führungskarrieren ab 40“, die einen Rahmen für die besondere Familiensituation von Frauen bieten. Da haben wir häufig noch Nachholbedarf, auch bei vorhandenen Rollenbildern in den Köpfen, denn auch für Männer ist die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie neu zu fassen.

4.      Was glauben Sie, brauchen Frauen um die Führungsetagen, auch in anderen Branchen, "zu erobern"? Fehlt der Mut oder muss sich etwas am System und den Strukturen ändern?

Es gibt kein allgemein gültiges Patentrezept für einen erfolgreichen Karriereweg. Es sind verschiedene Elemente, die eine Kandidatin – genauso wie jeder mögliche Kandidat – für eine Führungskarriere mitbringen sollte: Gestaltungswille, Durchsetzungsfähigkeit, Moderationsfähigkeiten, Vernetzung, kontinuierliche Weiterbildung und natürlich ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft und Kommunikationsstärke.

Für die Ausprägung der eigenen Führungsqualitäten in der Führung und Motivation von Teams braucht es aus meiner Sicht auf jeden Fall Empathie und Vertrauen und Zutrauen in die eigene Kraft und in die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Zudem sollte sich eine Kandidatin aktiv für neue Aufgaben und Herausforderungen interessieren, wenn sie darin Chancen für die eigene Weiterentwicklung sieht – selbst wenn zu Beginn noch nicht klar ist, wie sich die Themen in der Bank letztendlich entwickeln werden. Und gleichzeitig muss man auch so selbstbewusst sein, zu Themen, die gar nicht zum eigenen Tätigkeitsprofil gehören, konkret „Nein“ zu sagen. Man erwartet von einer Führungskraft, dass sie zeigt, wofür sie steht und auch bereit ist, Entscheidungen zu treffen und zu vertreten.

5.      Wo gab es in Ihrer Karriere Momente, wo Sie Herausforderungen meistern mussten, und wie sind Sie damit umgegangen? Was hilft Ihnen persönlich, wenn mal nicht alles glatt läuft?

Dass nicht immer alles beim ersten Mal gelingt, ist ganz normal. Diese Momente gab und gibt es auch bei mir immer wieder. Wichtig ist, dass man für die Zukunft daraus lernt, um es beim nächsten Mal besser zu machen. 

6.      Was haben Sie noch für Tipps und Empfehlungen, besonders für (junge) Frauen, ihre nächsten Karriereschritte zu planen? Fehlt das Ziel vor Augen oder ist der Weg zu holprig?

Karriere ist erst einmal kein Selbstzweck: Sich Karriere per se als Ziel zu setzen, halte ich für etwas fragwürdig. Es ist zielführender, in sich hineinzuhören, sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden, und dem zu folgen, was einen selbst antreibt. Wofür interessiere ich mich? Welche Tätigkeiten führe ich gern aus? Arbeite ich gern im Team? Kann ich mir vorstellen, auch Teams zu führen?

Wenn man sich bewusst für eine Karriere in der Bank entscheidet, sollte der Weg auch konsequent angegangen werden – dazu gehört für mich neben einem hohen Engagement und einer Sichtbarkeit in der Bank, auch die Bereitschaft, gerne Verantwortung für Themen und Menschen zu übernehmen und die Zukunft zu gestalten.

Das Interview führte Katrin Schildhorn, Nachhaltigkeitsmanagerin bei VR Bank RheinAhrEifel eG

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